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Was ist eigentlich Euer Sinn und Ziel bei Straßenmusik ?


Warum macht Ihr das ?


Mir persönlich fällt das Spielen in der Öffentlichkeit wegen seiner folgenden "Gefahr" nicht leicht:
Durch die eigene (tückische) Erfahrung, das Anderen gefällt, was ich da für Töne produziere, habe ich mich auch schon bei einer gewissen Eitelkeit erwischt, die darin besteht, den Applaus, die Freude der anderen auf das eigene Ego zu beziehen und sich dadurch "besser" zu fühlen. Aber das verändert das Spielen gewaltig, z.B. wenn ich allein sehr gern "immer dasselbe spiele", lösen das Spiel für Andere eher Druck aus, im Sinne, "jetzt muß ich doch mal was neues einflechten", die Erwartung nach Virtuosität zu erfüllen.
Im therapeutischen Kontext kommt mir das "heilen und helfen wollen" in die Quere.
Es spielt sich eben anders im geschlossenen Raum, als im Öffentlichen.
Tückisch ist, das lobende Rückmeldungen (von Passanten, von Patienten) dem Ego so schnell wohl tun, wie dem Raucher das Nikotin (!), es wirkt sofort und die Seele schreit nach mehr)...andere Dinge des Lebens sind ja naturgemäß auch mit wiederkehrenden Hürden und Selbstzweifeln verbunden.


Liebe Grüße
Martin

Hi,

sehr interessant.

ich spiele das Hang von Zeit zu Zeit auf der Strasse. Es hat für mich mehrere Aspekte. Zum einen gerate ich dadurch mit sehr vielen Menschen in Kontakt. Ich lebe so ziemlich am Ende der Welt und hatte für eine Weile nicht so sehr viele Kontakte mit Leuten außerhalb meiner Familie und meines Freundeskreises. Es ist so spannend und interessant sich mit so sehr unterschiedlichen Leuten einzulassen.

Natürlich ist es auch ein schönes Gefühl, wenn die Leute sich über meine "Musik" freuen und mir manchmal auch applaudieren. So ein Hang spielt auch nicht von alleine und es ist durchaus auch möglich darauf "Musik" zu machen, welche bei den Leuten nicht solche Reaktionen hervorruft. Wobei mir durchaus bewusst ist, daß der größere Teil im Klang des Hang liegt.
Unter Druck setze ich mich hierbei nicht. Das Hang wirkt nur, wenn es mit "Hingabe" gespielt wird. Bin ich selber schlecht drauf, interessiert mein Spiel sehr wenige Leute. Gerate ich aber in Harmonie mit dem Hang und den Menschen, dann ist das Hang in der Lage die Leute tief zu berühren.

Neulich hat mir eine Frau erzählt, mein Spiel "entschleunigt das Leben". Dafür habe ich an diesem Tag gespielt.
Ein andermal steht ein kleiner türkischer Junge vor mir. Seine Worte waren: " so schöne Klänge habe ich noch nie gehört". Er war wie hypnotisiert. An diesem Tag war mein Hangspiel für diesen Jungen gut und richtig.
Eine Gruppe von Leuten mit Down Syndrom auf einem Ausflug stehen im Kreis um mich umzu. Sie lachen und tanzen. Dafür hat sich der Weg auf die Strasse gelohnt.
Es sind so viele eher kleine Dinge, die ich mit dem Hang in die Welt bringe. Zusammen genommen hat dieses aber mein Leben sehr stark verändert. Zum Besseren.

Am Anfang war ich auch unsicher. Ich dachte ich muß den Leuten mehr "Abwechslung" bieten. Wir alle wissen, daß ein Hang nunmal nur acht Noten hat. Es ist kein Musikinstrument im eigendlichen Sinne um darauf Lieder zu spielen. So kann man seine Tonart auf dem Hang schonmal nicht einfach verlassen. Dies mag Leute die im Hang ein Musikinstrument im klassischen Sinne vermuten ein wenig irritieren.
Diesen Leuten erzähle ich, daß ein Hang eben eine Klangskulptur ist, auf die man sich einfach einlassen muß. Ich kann ihnen keine Lieder vorspielen, aber sie hören ein Echo meiner "Seele".
Und da kann ich nichts erzwingen. So funktioniert mein Hangspiel nicht.

Viele Grüße
Frank

Spielen in der Öffentlichkeit als Experiment: Wie kann ich bei mir (beim absichtslosen Spiel) bleiben und gleichzeitig in Verbindung mit den Zuhörenden sein. Und, das Wesentliche ist: Freude teilen (mitteilen), schenken und empfangen.
Und nach dem Spiel eine Zigarette rauchen und dem Ego, falls es sich gerade in einer lobenden Rückmeldung baden sollte, freundlich zulächeln…
gitta

Danke Frank, für das (mit)Teilen deiner berührenden Erfahrungen.
Und manche hören einfach schweigend zu; du siehst die Freude in ihren Augen, spürst Verbundenheit in diesem Moment. Hangspielen, im Stillen und auf der Strasse, beides sind, eine von vielen, Möglichkeiten, das Leben zu feiern.
gitta

Krankheitsbedingt habe ich jetzt schon über ein Jahr nicht mehr in der Öffentlichkeit gespielt (Ausnahme war ein Auftritt bei einem kleinen Konzert im privaten Rahmen Anfang des Jahres). Davor war es gelegentlich. Ich kenne es auch, dass dies das Spiel beeinflusst. Bei mir ist es vor allem das Gefühl des Beobachtet-Werdens und die Vermutung des Bewertet-Werdens, die mir in die Quere kommen.

Mittlerweile hat sich mein Spiel sehr stark gewandelt. Seit einiger Zeit spiele ich nur noch mein 2007er Hang (weil ich das Pygmy nicht richtig halten kann) und ich bin dazu übergegangen, dass ich bevor ich anfange, keinerlei Ahnung habe, was ich spielen werde. Ich gehe mit keinerlei Konzept daran, fange einfach an und dann entwickelt sich irgendetwas.

Wäre interessant, wie eine öffentliche Situation das beeinflussen würde. In meiner Vorstellung gibt es ein Moment der Entspannung (ich habe nicht vor etwas bestimmtes vorzutragen) auf der anderen Seite aber auch etwas Anspannendes (diese Art des Spielens beinhaltet den Mut zum Fehler und zum Scheitern).

Ix

Letzten Samstag haben wir "eine öffentliche Probe" in Wiesbaden veranstaltet. Wir haben da ein bisschen abseits auf ner Bank am Rhein gesessen und ein paar Stücke geübt....
War schön! Manche Leute blieben stehen, andere schlichen vorbei! Obercoole Zeitgenossen ignorieren einen, Neugierige gucken und horchen. Manche haben sogar mal geklatscht......! Ganz mutige Menschen stellen sogar mal Fragen und einem kleinen Jungen hat unsere Musik sehr gefallen. Er hat uns sein ganzes Taschengeld ( 60 Cent) geschenkt und darauf bestanden, dass wir es annehmen! Das war das schönste Erlebnis an dem Abend!

Immer,bevor ich zu spielen beginne,gibt es einen Moment des Innehaltens...entspannte Achtsamkeit...die Hände auf dem Hang,achte ich auf meine Atmung...aus der Stille heraus beginne ich zu spielen...absichtslos, intuitiv.
Fehler? Scheitern?...ja, wenn ich nicht wirklich bei mir bin; in diesem Fall "klinge" ich aus und versuche zu spüren, woran es liegt. Manchmal ist der Ort, der Platz, nicht gut, dann gehe ich weiter. Manchmal bin ich doch noch zu angespannt, dann halte ich inne, bis ich wieder ruhig in den "Fluss" eintauchen kann...
Gitta